Das Fleisch des Lebens

Die brasilianische Kultur ist reich an Vielfalt, Lebendigkeit und Fülle und erfindet sich immer wieder neu. Das zeigt sich auch in der Literatur des Landes, die durch die Auftritt von 70 Autoren auf der Buchmesse 2013 in Erfurt mehr und mehr Lesern nahegebracht werden soll. Doch nicht nur Literatur aus Braslilien, sondern auch Literatur über Brasilien verdient es, gesehen zu werden.

Eines dieser Bücher ist das facettenreiche Tagebuch einer Brasilienreise von Silvio Vietta “Das Fleisch des Lebens”. Es beeindruckt den Leser mit Schilderungen der brasilianischen Lebensweise inmitten heißer Sambarhythmen und nimmt in mit auf eine Entdeckungsreise durch ein Land voller Überraschungen.

Das Land ist aber auch bestimmt durch einen immerwährenden Kampf zwischen Zivilisation und Natur, der sie abgerungen wurde und die sie stetig von ihren Rändern her wieder einnimmt. Dschungel und Chic sind nah beieinander.  Die ehemalige portugiesische Kolonie ist eng verwoben mit ihrer Geschichte, die sich in den Gesichtern der Bevölkerung spiegelt. Die ambivalente Neue Welt mit beinahe unerschöpflichen Ressourcen, die die Favelas aus dem Sichtfeld der Städte rückt und einen hohen Preis für ihre Modernisierung zahlt.

Trotzdem ist Brasilien in erster Linie Leidenschaft. Als der Autor als Erzähler eine Gastprofessur an der Universtät Capinas annimmt und dabei das bereist, zeichnet er seine Eindrücke und Reflexionen in diesem Tagebuch auf. Es ist eine Liebeserklärung an ein Land, das trotz aller Probleme reich an Schönheit, an Lebensenergie, an Naturreserven ist, durch dessen Gewalten das Fleisch des Lebens pulsiert, das sich nicht nur im tosenden und funkelnden Karneval in Rio in Szene setzt.

Über den Autor

Silvio Vietta, Prof. em., Deutsche Literatur und Europäische Kulturgeschichte an der Universität Hildesheim und lebt in Heidelberg. Im April und Mai 2012 lehrte er an der Universität Campinas im Staat São Paulo in Brasilien und bereiste das Land in dieser Zeit.

Die 60 x 80 Lüge

Wer als Künstler denkt mit dem Kauf von Leinwand, Pinsel und Farbe und ein paar Arbeitsstunden hätte er ein Kunstwerk geschaffen, der irrt gewaltig. Kunst wird erst dann wertvoll, wenn man genügend Geld in die Vermarktung investiert. Was ein 60 x 80 Bild tatsächlich für Kosten generiert, wenn man es seriös vermarktet, zeigen wir hier an einer Musterrechnung.

Picassos Gemälde der „Mona Lisa” wird auf rund 500 Milliarden Euro geschätzt. Das entspricht einem Gegenwert von 15 Tonnen Gold. Wie solche Preise zustande kommen, kann man an einem 60 x 80 cm Kunstwerk von der Pieke auf nachvollziehen.

Wir gehen in einen Laden für Künstlerbedarf und kaufen alles was wir für 10 Kunstwerke brauchen. Der Einfachheit halber runden wir die Beträge auf.
Pro Kunstwerk: Leinwand 10 Euro, Pinsel 50 Euro, Farben und Firnis 250 Euro. Hin und Rückfahrt zum Laden 20 Euro, Staffelei 120 Euro. Monatliche Kosten: Miete für Atelier 800 Euro und Lebenshaltungskosten 1500 Euro. Arbeitsaufwand 160 Stunden à 50 Euro. Kosten für monatliche Vermarktung: Galerieausstellung 6.000 Euro, Kunstmesse 25.000 Euro.

Wenn wir jetzt einberechnen, dass wir 1 Jahr brauchen um die 10 Kunstwerke zu schaffen und 5 Jahre um Sie zu vermarkten (1 Kunstmesse pro Jahr), errechnen sich folgende Kosten:

  • Materialkosten: 3.240 Euro
  • Kostenaufwand zur Schaffung der 10 Kunstwerke: 123.600 Euro
  • Kostenaufwand für Vermarktung: 485.000 Euro

Die professionelle Vermarktung unserer Kunstwerke kostet insgesamt 611.840 Euro. Würde man die Kunstwerke nun zu diesem Preis verkaufen, dann hätte man alle entstandenen Kosten wieder erwirtschaftet.

Ein Kunstwerk kostet also über 60.000 Euro und wenn man es um diesen Preis verkaufen kann, dann hat man seine Kosten gedeckt, sonst nichts.

Wer also das nächste Mal in einen Laden für Künstlerbedarf geht und ernsthaft vor hat ein Kunstwerk zu erschaffen, der sollte gleichzeitig wissen, dass 99 % aller Kunstwerke unter 1.000 Euro verkauft werden.

Die 60 x 80 Lüge bleibt dennoch die größte Illusion unverbesserlicher Optimisten.

Kunst hat seinen Preis

Da hängt ein Bild an der Wand in einem normalen Haushalt mit einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen. Das Bild ist ein Unikat und handgefertigt von einem Künstler, der damit seinen Lebensunterhalt verdient. Ist das jetzt Kunst oder Dekoration? Entscheidet der Preis über die Qualität der Arbeit? Wie kommt er zustande?

Ein normaler Leinwandrahmen in durchschnittlicher Größe kostet circa 10 Euro. Die Farben, Firnisse, Pinsel circa 10 Euro. Arbeitszeit 20 Stunden à 10 Euro. Jetzt könnte man meinen, mit 220 Euro sei der Künstler gut bedient. Vielleicht lässt sich das Ganze ja noch auf 200 Euro runterhandeln. Wer sein Bild jetzt zu diesem Preis verkauft, wird in der Branche als Dekorateur abgestempelt.

Nehmen wir das gleiche Bild und berechnen die Kosten, wenn man dieses über eine Galerie erwirbt. Gehen wir von den 220 Euro aus. Jetzt hat der Künstler noch zwei Stunden mit dem Kauf der Utensilien verbracht. Fünf Stunden mit der Ideenfindung. Jetzt sind wir bei 300 Euro. Er verhandelt über vier Wochen mit einer Galerie, die sich bereit erklärt, in einem Jahr dieses Bild auszustellen. Das sind weitere fünf Stunden Verhandlungen und ein eintägiger Besuch bei der Galerie. Weitere Arbeitszeit, Kosten für Anreise und Übernachtung circa 200 Euro. Zusammen sind das mittlerweile 500 Euro Kosten für den Künstler.

Die Galerie erklärt sich bereit, fünf der Arbeiten einen Monat lang auszustellen. Jetzt kommen die Kosten für Anlieferung, Zeit für Hängung, erneute Übernachtung, Anwesenheit bei Vernissage und Finissage dazu. Gesamtkosten des Künstlers: 2.300 Euro. Jetzt kommen die Kosten der Galerie dazu. Miete, Versicherung, Personal, Presse, Marketing, Werbung, Flyer, Broschüren, Einladung, Vernissage, Finissage, Getränke und Häppchen. Wir rechnen mit 4.000 Euro Galeriekosten für diesen Monat. Zusammen kostet alles 6.300 Euro.

Um allein die Kosten zu decken, müssten alle fünf Bilder zu einem Preis von 1.260 Euro pro Stück verkauft werden. Werden sie aber nicht verkauft, wer trägt die Kosten? Eine neue Ausstellung mit demselben Aufwand? Dann müsste man für jede neue Ausstellung die Bilder um je 500 Euro teurer machen.

Da hat es der Künstler gut, der 100.000 Euro für ein Bild bekommt. Dann artet das Ganze in Kunst aus, die man ordentlich und lange genug bewerben kann, um den richtigen Käufer dafür zu finden. Ein langer Weg und ein hartes Geschäft das sicherlich genug Zündstoff für unendliche Diskussionen liefert.

Kunst und Kommerz

Das Ergebnis kreativer Arbeit nach Schemen oder Kategorien zu bewerten ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. In die Bewertung fließen die Einstellung, die Empfindungen und das Leben des Kreativen ein. Als Kindern wird uns in der Schule leider als erstes die Kreativität ausgetrieben, weil sie in der Gruppe stört. Wer sich dennoch wehrt und weigert, seine Kreativität zu unterdrücken, spürt den Zorn seines Umfeldes. Der Kampf endet in die eine oder die andere Richtung. Hier beginnt der Kommerz der Kunst.

Reine Kreativität entführt in die Welt der Träume. Ein Ort, an dem unsere Handlungen nicht einer Logik unterliegen. Auf der anderen Seite liegt die Vernunft. Durch sie wird man verleitet, jede Handlung abzuwägen. Voraussetzung dazu ist ein Ziel, das uns vorgegeben wird oder das wir uns selbst setzen.

Dieser Feststellung zufolge wäre jeder, der ein Bild malt, es mit Firnis bestreicht und einen Rahmen und Haken daran anbringt, kein Kreativer, denn er folgt einer Logik. Er will es kommerziell umsetzen, verkaufen, um davon zu leben. Das ist aber verpönt. Wo aber liegt nun die wahre Kreativität? Etwa in der Meditation, der geistigen Flucht oder dem Entschwinden in andere Sphären?

Bei vielen bricht die Kreativität im hohen Alter aus, dann wird das bisher geführte soziale Leben unwichtig. Oft machen dann Kunstkenner nach dem Tod des Kreativen den großen Reibach. Dann gibt es da noch die Galeristen oder Manager, die den Kreativen den ganzen Kommerz abnehmen. Oft wird dabei unterschwellig vorgeschlagen, was sich am Markt im Moment am besten verkaufen ließe. Nicht, dass sich der Kreative direkt darauf einlassen würde, wenn dann aber der Porsche und die Erste-Klasse-Flüge gestrichen werden, dann könnte man doch vielleicht umdenken, ohne es öffentlich zuzugeben.

Hätten wir alle keine finanziellen Probleme, dann wären wir alle Künstler. Ansonsten müssen wir halt von denen Leben, die nicht bereit sind, uns für unsere kreativen Leistungen anderweitig zu bezahlen.

Darum schadet ein bisschen Kommerz der Kunst nicht, sondern macht sie sinnvoller. Die nächsten Generationen bevorzugen zwar das Unverfälschte und bewundern die Durchhalter, das bringt den Kreativen aber nachträglich nicht die Butter aufs Brot.

Paul Potts ist einer von uns

Paul Robert Potts (geb. 1970) gewann 2007 die Casting Show “Britain‘s Got Talent” und verkaufte in Deutschland 3,5 Millionen Tonträger.

Paul Potts kommt aus einfachen Verhältnissen und wurde in der Schule gehänselt. Um sich vor seinen Peinigern zu verstecken, trat er in den Chor ein und entdeckte seine Leidenschaft für die klassische Musik. Er hat seine Gesangsausbildung selbst finanziert.

Mehrere Krankheiten und ein Unfall haben ihn Bescheidenheit gelehrt und die einfachen Dinge des Lebens wertzuschätzen. Er ist verheiratet und lebt in stabilen privaten Verhältnissen.

Paul Potts gibt regelmäßig Konzerte und hat viele Anhänger, weil man sich mit seinem Leben und seiner Karriere identifizieren kann.

Susan Boyle der kleine Leute Star

Susan Magdalane Boyle (geb. 1961) gewann zwar nicht die Casting Shop, setzte sich aber wegen ihrer Stimme am Markt durch. Sie wuchs in einer Großfamilie in Schottland auf und verzichtete auf eine Karriere um ihre kranke Mutter zu pflegen.

Seit ihrer Kindheit erhielt Sie Gesangsunterricht, wäre aber ohne die Casting Show, nie auf die große Bühne gekommen. Sie leidet am Asperger-Syndrom, eine kommunikative Störung, die sie etwas befremdlich wirken lässt, aber ihre Hoch- oder Inselbegabung für Musik erklärt.

Ihre Alben haben sich sehr gut verkauft und Sie ist vor der Queen aufgetreten und in Las Vegas. 2014 hat Sie ihre erste Liebesbeziehung und wir freuen uns, wenn Sie weiterhin ein finanziell sorgenfreies Leben lebt.